DER VERBAND BAYERISCHER GESCHICHTSVEREINE e.V.
verleiht
Herrn Anton Lichtenstern
die Ehrennadel des Verbandes
Verleihung der Ehrennadel an Studiendirektor Anton Lichtenstern am 25. Januar 2019 in Landsberg am Lech
Ich freue mich, dass ich wieder einmal in Landsberg tätig sein darf, nicht nur als Verbandsvorsitzender, sondern auch ganz persönlich.
Enge Beziehungen verbinden mich seit langem mit dem Historischen Verein.
Mit meinem leider vor zwei Jahren verstorbenen Kollegen Dr. Anton Huber hatte ich seit einem Modellversuch an der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen über viele Jahr hinweg intensiven Kontakt.
Der bewundernswerte Klaus Münzer, den der Verband in seinem in Kürze erscheinenden Mitteilungsblatt nochmals würdigt, hat meiner Frau und mir Landsberg und sein großartiges, einmaliges Stadtbild in einem unvergesslichen Rundgang nahe gebracht hat. Und auch Frau Knollmüller schätze ich seit Jahren als zuverlässige Kooperationspartnerin und tatkräftige Akteurin.
Und darüberhinaus ist meine Frau als geborene Landsbergerin auch dieser Stadt familiär verbunden. Immerhin ist ihr Urgroßvater Ignaz Appel im Rathaussaal im Bilde verewigt ist.
Die Ehrung, die ich heute vornehmen darf, soll langjährige Mitglieder historischer Vereine auszeichnen, die verantwortungsvoll in Vorstand oder Beirat mitgewirkt haben und sich um ihren Verein in besonderem Maße verdient gemacht haben.
Ich freue mich sehr, dass ich als Vorsitzender des Verbandes, dem etwa 230 Vereine, Institute und Kommissionen angehören, mit Herrn Anton Lichtenstern geradezu ein Musterexemplar dieses Typus auszeichnen darf, dessen besonderes Markenzeichen Kompetenz und Kontinuität sind. Er gehört zu einer Spezies, derer wir in größerer Zahl bedürften, der des „magister doctus“, des gelehrten Lehrers, des engagierten und gelehrten Bildungsbürgers.
Dabei verwende diese Bezeichnung ganz bewusst, gewissermaßen als Gegenpolemik gegen die pejorative Abwertung des Bürgerlichen, und verstehe sie als Ehrentitel und zugleich als besonderen Anspruch.
Die langjährige Leistung unserer Vereine liegt durchaus auf diesem Feld, der Bürgerkultur nämlich, das wir keinesfalls preisgeben dürfen.
Der große, leider etwas vergessene Historiker Franz Schnabel hat 1952 zum hundertjährigen Jubiläums des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine das Lob der Historischen Vereine gesungen und ihnen damit ein würdiges Denkmal gesetzt:
„Es ist der Ruhm unserer Vereine, dass ihnen die Beschäftigung mit der Geschichte niemals Selbstzweck und niemals ein müßiges Spiel gewesen ist. Immer war es ein echtes Bedürfnis des Lebens, wenn in einer Stadt, einem Kreise, einer Provinz, einem Territorium Männer und Frauen, die im Leben standen, sich zusammengeschlossen haben im gemeinsamen Interesse an der Geschichte der Heimat (...).“
Die Historischen Vereine sind nach wie vor besonders wichtige Garanten für ein regionales Geschichtsbewusstsein. Wie viele unserer Kultureinrichtungen sind sie Kinder der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, Produkte einer alles in allem fruchtbaren Bürgerkultur, die der Aufklärung des 18. Jahrhundert entstammte.
Ohne das bildungsbürgerliche Engagement der Historischen Vereine sähe unsere regionale Kulturlandschaft sehr viel eintöniger aus, wäre es um die Geschichtskultur unseres Landes und das Geschichtsbewusstsein seiner Bürger weitaus schlechter bestellt.
In drei Aufgabenbereichen waren und sind die Vereine tätig: in der Wissenschaftspflege, in der Bildungsarbeit und im bürgerschaftlichen Engagement.
In Zusammenarbeit mit allen, denen Geschichte und Gegenwart ihrer Region am Herzen liegt, fördern die Historischen Vereine daher auch die einen Gemeinsinn, dessen unsere auseinandertriftende Gesellschaft mehr denn je bedarf.
Und sie unterstützen überdies umfassende, ganzheitliche Betrachtungsweisen, die für die Erhaltung von Kultur und Natur unverzichtbar sind.
Als historisches Gewissen einer Region, als Lobbyisten für Geschichtsbewusstsein und Geschichtsinteresse und als Verfechter einer wissenschaftlichen Landes- und Regionalgeschichte waren und sind die Geschichtsvereine auch niemals unpolitisch.
Sie müssen sich dabei wehren gegen einen kultur- und naturfeindlichen Ökonomismus, der unter dem Dogma einer angeblich schicksalhaften Globalisierung unser Zeitalter beherrscht. Ungehemmte Kapitalinteressen und technokratisches Denken stellen heute zwar eine Bedrohung dar, die aber sicher nicht schicksalhaft und unabwendbar ist.
Diesen in der Tat veritablen Kulturkampf um das künftige Antlitz unserer Welt können wir allerdings nur in gemeinsamer bildungsbürgerlicher Solidarität bestehen.
Freilich helfen dagegen weder ein romantisierender Antimodernismus, noch eine neue nationale Selbstüberschätzung oder gar ein bajuwarisierender, gelegentlich auch kraftmeierischer Patriotismus.
Wir sollten den Kampf um die Erhaltung eines bildungsbürgerlichen Werte- und Bildungskanons durchaus offensiv führen, selbstbewusst als Teil einer zukunftsfähigen europäischen Bürgergesellschaft und nicht zuletzt auch in der Hoffnung auf die ungebrochene Kraft der Region.
Letztlich geht es freilich um die Rettung der Substanz einer weit über hundert Jahre alten Bürgerkultur, es geht um die Erhaltung bürgerlicher Kulturleistungen auch im Heute und Morgen.
Die Geschichtsvereine spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Denn sie sind längst ein besonders stabiler und inzwischen unverzichtbarer Teil einer von ehrenamtlich Engagierten getragenen Bürgergesellschaft, die auch als Garant für ein künftiges Europa sein könnte, das auf Bürgernähe und Partizipation aufbaut.
Nach diesem kleinen, etwas grundsätzlichen Exkurs, der dennoch eng mit der Ehrung zusammenhängt, komme ich wieder auf Herrn Lichtenstern zurück.
Denn Kästners berühmten Diktum, „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, folgend, kann ich nur feststellen: Ohne engagierte und ausdauernde Menschen, die über Jahrzehnte hinweg schreiben, informieren und organisieren, wäre alle unseren Forderungen und kritischen Einwände nichts als Makulatur.
Ohne diese Bildungsbürger, die sich für das Gemeinwesen einsetzen, es mitgestalten und seine Wurzeln anderen zugänglich machen, gäbe es keine so blühenden Vereine wie es der Landesberger Geschichtsverein ohne Frage ist.
Anton Lichtenstern, einer alteingesessenen Landsberger Familie entstammend, ist seiner Stadt lebenslang treu geblieben, als Schüler und später als Gymnasiallehrer; als Stadtrat und Stadtheimatpfleger hat er sich um das Gesicht, das Bild seiner Stadt besonders verdient gemacht, das mich bei jedem Besuch wieder neu entzückt.
Im Historischen Verein ist er seit über 50 Jahre Mitglied, inzwischen natürlich Ehrenmitglied, war Schriftführer, Beiratsmitglied und vor allem Geschichtsforscher.
Das Spektrum seiner Publikationen ist mehr als beeindruckend: Es reicht von der Denkmalpflege und der Geschichte der Altstadt über Stadtspaziergänge und Reisebeschreibungen bis zum grundlegenden Werk „Landsberg am Lech. Geschichte und Kultur“ von 2012.
Dazu ist er Autor zahlreicher Artikel in den „Landsberger Geschichtsblättern“. Seit 1972 ist kein Jahrgang ohne einen oder mehrere Artikel aus seiner Feder erschienen.
Auch hier kann man das Spektrum seiner Miszellen nur bewundern: Die römische Villa bei Erpfting gehört dazu wie die Revolution von 1918, übrigens schon 1974/75, Ignaz Kögler und Hubert Herkomer können nicht fehlen, aber auch der Konstitutionsstein im Englischen Garten und ein Kriegstagebuch zum 1. Weltkrieg finden sich da, lange vor den einschlägigen Jubiläen und Erinnerungsjahren.
Und in einigen Beiträgen der letzten Jahre meine ich auch das Anliegen zu verspüren, dass der alte Satz von Cicero „Historia magistra vitae“ vielleicht doch ein Quentchen Wahrheit enthalten mag.
Oder ist es Zufall, dass er sich 2015 der Energiefrage zuwendet in dem Beitrag „Strom für den Krieg – Die Kraftwerke der BAWAG zwischen Schongau und Landsberg am Lech“ und 2017 die Migrationsproblematik historisch in den Blick nimmt mit dem Aufsatz „Neubürger in Landsberg 1584-1742. Die Heiratsmatrikel als Quelle für die Zuwanderung“.
Wie auch immer: Er war und ist ein großartiger Forscher und Vermittler, der für das historische Wissen über seine Stadt Landsberg und das Geschichtsbewusstsein ihrer Bürger hoch verdient gemacht hat. Er hat aber auch tatkräftig bei der Erhaltung seiner Stadt, als engagierter homo politicus mitgewirkt. Und für alle diese Leistungen zeichnet ihn der Verband aus, und ich darf ihm nun Urkunde und Ehrennadel überreichen.
Der Text der Urkunde lautet:
DER VERBAND BAYERISCHER GESCHICHTSVEREINE e.V.
verleiht Herrn Anton Lichtenstern die Ehrennadel des Verbandes.
Er würdigt damit seine außerordentlichen Verdienste um die Geschichtsforschung und die Denkmal- und Heimatpflege in Landsberg sowie sein langjähriges, herausragendes Engagement im Historischen Verein der Stadt.
Landsberg am Lech, am 25. Januar 2019
Prof. Dr. Manfred Treml, 1.Vorsitzender